Barbara Truog
Wie wird ein Gletscher saniert?
Meine Reise ins Wallis starte ich mit dem Zug. Ich fahre bis nach Göschenen. Dort steige ich aus und laufe die Schöllenenschlucht hinauf bis nach Andermatt. Ich gewöhne mich schnell an den schweren Rucksack und langsam ans allein sein. Was ist eine Reise für mich wert, wenn ich sie nicht teilen kann? Wieso mache ich das überhaupt? Bei Hospental suche ich mir einen Platz für die Nacht. Wovor fürchte ich mich mehr im Dunkeln – vor den Tieren oder den Menschen? Ein Reh überrascht mich an meinem Plätzchen und wir erschrecken beide. Dringe ich in eine Welt ein, in die ich nicht gehöre? Ich verde-cke meine Augen mit der Kapuze meines Biwaksackes. So habe ich wie ein kleines Zelt – ein kleines Haus – und fühle mich in Sicherheit, wenn auch in falscher. Am nächsten Morgen weckt mich der Re-gen – ich packe zusammen
und gehe weiter. Ich habe das Gefühl und immer mehr, dass ich falsch laufe. Doch ich finde meinen Weg nach Gluringen, mit der Langeweile als stete Begleiterin. Ich spreche viel mit mir selber, zähle Dinge, erfinde Spiele, pfeife den Vögeln zu und bin enttäuscht, wenn sie nicht zurückpfeifen.
Ich traf mit mehreren Ideen für mein Projekt in Gluringen ein. Eine davon war, mich mit den Altlasten der Schweizer Armee in den Alpen zu befassen. Ich wanderte ins ehemals beschossene Bächital bei Gluringen, untersuchte einen Zielhang im Dorf und tauschte mich mit Personen persönlich, per Tele-fon und Mail aus. Irgendwann stand ich an und begann vertiefter zu recherchieren. Ich merkte schnell, wie riesig und spannend, aber auch einnehmend das Thema Umwelt und Armee für mich ist. So ge-langte ich von Blindgängern neben Wanderwegen zur Munition, welche nach dem Zweiten Weltkrieg in Schweizer Seen versenkt und vergessen wurde, über die Umweltausbildung und den Munitions-verbrauch im Militär zur geografischen Übereinstimmung von Zielgebieten der Schweizer Armee und Alpinen Auen in Graubünden. Wie wird ein Gletscher saniert? Bei dieser Frage stehe im momentan.
Zu erkennen, dass ich am Ende dieses Moduls kein klassisches Produkt haben werde und auch nicht
haben muss, war für mich nicht einfach aber erleichternd. Irgendwann findet sich die passende Art dieses gesammelte, und sicher noch wachsende, Wissen zu präsentieren. Momentan ist alles in ei-nem Miro-Board vereint. Die Internetrecherche beinhaltet Artikel, Dokumente und Bildmaterial. Diese habe ich mit eigenen Fotografien, Skizzen, Gedanken, Gesprächen, Ausschnitten aus Mails, einer Umfrage, ausgewählten Fakten und Aussagen, sowie Fragen, welche währenddessen aufkamen, er-gänzt.
Ich stellte fest, dass sich während dem Recherchieren eine gewisse Verunsicherung und Hilflosigkeit in mir breit machte, wenn ich alleine in den Bergen unterwegs war. Auch entwickelte sich eine feine, aber wach-sende Abscheu gegenüber dem Umgang mit unserem Zuhause und vor allem dessen Ak-zeptanz. Deswegen möchte ich vor allem eines mit meinem Projekt; informieren.